„Männer, beteiligt Euch!“

„Männer, beteiligt Euch!“

Ein Appell für eine ausgewogenere Geschlechterverteilung in der Hospizarbeit

„Männer haben Muskeln, Männer sind furchtbar stark, Männer können alles, Männer kriegen ’n Herzinfarkt“ – so besingt Herbert Grönemeyer in seinem Hit von 1984 die Männer. Das Männerbild ist im Songtext einerseits bewusst überzeichnet und spielt mit dem Stereotyp des starken, mutigen, allesschaffenden Mannes. Und anderseits bricht Grönemeyer dieses Bild indem er die Gebrechlichkeit des (männlichen) Lebens („Männer kriegen ´n Herzinfarkt“) dem überzeichneten Stereotyp hinzufügt. Diesen Gegensatz bringt Grönemeyer auf dem Punkt, wenn er singt: „…außen hart und innen ganz weich…“ Der Song ist 40 Jahre alt und auch wenn die Gesellschaft sich kritischer mit den Männlichkeitsbildern auseinandersetzt und einen differenzierteren Blick auf Männlichkeit, Geschlechteridentitäten und -rollen entwickelt hat, halten sich die Klischees hartnäckig. Verletzlichkeit und Fragilität zuzulassen scheint insbesondere für die männliche Generation, die noch mit diesen stereotypen Rollenbildern großgeworden ist, nicht immer selbstverständlich. Zumindest zeichnet sich dieses Bild ab, wenn wir die Geschlechterverteilung in der Hospizarbeit betrachten: Die Begleitung von Sterbenden und Trauernden wird im Wesentlichen von Frauen entwickelt, umgesetzt und in Anspruch genommen. Der Hospizverein Hürth hat zurzeit lediglich drei aktive männliche Ehrenamtliche.

ehrenamtlicher Sterbebegleiter Peter Jung
ehrenamtlicher Sterbebegleiter Peter Jung

Peter Jung ist einer der wenigen Männer beim Hospiz Hürth e.V.  Angefangen hat sein Ehrenamt mit der Mitwirkung im Vorstand. „Dadurch habe ich die Arbeit des Hospizes erst so richtig kennengelernt und verstanden, was Begleitung von Sterbenden und Trauernden überhaupt heißt. Das hat mir Mut gemacht, mich selbst als Sterbebegleiter durch das Hospiz Hürth ausbilden zu lassen. In den Kursen habe ich Zutrauen in meine Fähigkeiten bekommen.“ Mittlerweile ist der 85jährige bereits 20 Jahre ehrenamtlich im Verein tätig. Er beobachtet oft Berührungsängste von Männern mit der Hospizarbeit: „Ich glaube, dass da ein Wissensdefizit ist bei den Männern. Sie sind sich nicht im Klaren, dass auch gerade ihr Knowhow hier gefragt und gewünscht ist. Viele Männer können sich das nicht vorstellen, dass sie besondere Fähigkeiten haben, die sie da in die Hospizarbeit reinbringen können.“

Dabei wollen sterbende und trauernde Männer oft lieber ihre Geschlechtsgenossen bei sich haben. „Ich habe oft erlebt, dass die eher kurze und knappe Art von uns Männern hilfreich ist. Wenn zum Beispiel sehr viele Frauen um den schwerkranken Mann herum sind, habe ich schon das Gefühl, dass es der Person gut tut auch mal mit einem Mann zu sprechen. Oder auch, wenn es um ein Thema geht, das vielleicht mal mit einem Mann einfacher zu besprechen ist. Eben von Mann zu Mann.“ erzählt Peter Jung aus seiner langjährigen Erfahrung.

In der Hospizarbeit ist es ebenso wichtig, dass man pflegende Angehörige begleitet und entlastet. Es ist nicht selten, dass Männer, die ihre kranke Ehefrau versorgen darüber total vereinsamen. Das eigene Wohlergehen gerät dabei oft aus dem Blickfeld. Wenn zu vereinbarten Terminen ein Ehrenamtlicher des Hospizdienstes bei der schwerkranken Ehefrau ist, kann der pflegende Angehörige in dieser Zeit in Ruhe einkaufen, zum Sport, am Vereinsleben teilnehmen oder Kulturangebote wahrnehmen. „Das ist oft eine enorme Entlastung.“ so Koordinatorin Judith Bielz. „Wir erleben häufiger, dass es für Männer immer noch keine Selbstverständlichkeit ist, die Partnerin bei Krankheit zu pflegen. Soziale und familiäre Aufgaben werden meist als Frauenarbeit angesehen. Umso schwerer tun sich männliche Angehörige damit, offen über die oftmals auch belastende Pflegesituation zu reden und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie meinen, alles alleine schaffen zu müssen.“

Auch in den Trauerangeboten des Hospiz Hürth finden wesentlich weniger Männer als Frauen einen Zugang.

Angesichts dieses Männermangels in sämtlichen Bereichen der hospizlichen Arbeit möchte der Hospizverein Hürth eine ausgewogenere Geschlechterverteilung anstreben.

„Auch wenn die Hospizarbeit von jeher weiblich dominiert ist, möchten wir die männlichen Perspektiven und Potentiale aufnehmen und Männer ermutigen, hospizliche Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen.“ so Vorstandsvorsitzende Annette Neumann. „Männer machen die Hälfte der Bevölkerung aus. Und wenn sie in Not geraten, brauchen auch Männer unsere Unterstützung und Zuwendung. Also das ist ein großer Appell vom Hospizverein Hürth aus: Männer beteiligt euch!“

Noch ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Auch Frauen werden weiterhin als Ehrenamtliche für die Vorstandsarbeit und die Sterbe- und Trauerbegleitung gesucht!

Und: Trotz allem, was Männer und Frauen (und alle außerhalb dieser Kategorien) unterscheiden mag: In der Konfrontation mit dem Sterben sind wir alle gleich. Das Hospiz Hürth steht für Solidarität am Lebensende und das ist keine Frage des Geschlechts.